Beim sonntäglichen Kaffee begegnete ich einem kleinen Flugdrachen.
Annette von Droste Hülshoff beschrieb die Libelle in
Westfälische Schilderungen aus einer westfälischen Feder
… Die wüsten Steppen haben sich in mäßige, mit einer Heidenblumendecke farbig überhauchte Weidestrecken zusammengezogen, aus denen jeder Schritt Schwärme blauer, gelber und milchweißer Schmetterlinge aufstäuben läßt. – Fast jeder dieser Weidegründe enthält einen Wasserspiegel, von Schwertlilien umkränzt, an denen Tausende kleiner Libellen wie bunte Stäbchen hängen, während die der größeren Art bis auf die Mitte des Weihers schnurren, wo sie in die Blätter der gelben Nymphäen wie goldene Schmucknadeln in emaillierte Schalen niederfallen und dort auf die Wasserinsekten lauern, von denen sie sich nähren.
Und auch jener Weimarer, der die Droste, enge Freundin seiner Schwiegertochter Ottilie, mit keinem Wort je erwähnte (so klein konnte er sein), besang die Libelle:
Die Freuden
Es flattert um die Quelle
Die wechselnde Libelle,
Mich freut sie lange schon;
Bald dunkel und bald helle,
Wie das Chamäleon,
Bald rot, bald blau,
Bald blau, bald grün.
O daß ich in der Nähe
Doch ihre Farben sähe!Sie schwirrt und schwebet, rastet nie!
Doch still, sie setzt sich an die Weiden.
Da hab ich sie! Da hab ich sie!
Und nun betracht ich sie genau,
Und seh ein traurig dunkles Blau –So geht es dir, Zergliedrer deiner Freuden!
Aber Libellen sind doch keine Drachen, oder etwa doch?
Nun ja, auf Englisch heißen sie immerhin dragon fly, und aus der Sicht eines kleineren Insekts haben Libellen sicher etwas Drachenhaftes. Und dann diese Augen, und diese Mandibeln!
Manchmal verirrt sich eine Libelle bei uns im Wohnzimmer, dann denke ich, dass diese Flatterwesen doch eigentlich ganz schön dumm sein müssen. Denn sie finden fast nie, aus eigenem Antrieb den Ausgang bzw. Ausflug wieder!
Klug sind sie wohl nicht. Aber das ist für die Arterhaltung der Libellen seit Millionen von Jahren nicht nötig gewesen – warum sollten sie also plötzlich Einsicht entwickeln?