iste mundus furibundus

Seit vielen Monaten wird mein öffentliches Tagebuch fast täglich mit dem ersten Vers eines zutiefst finsteren Liedes aus den Carmina Burana gefunden. Als ich es übersetzte, war ich der Meinung, es sei meine ganz persönliche Verschrobenheit, derartige Lyrik besonders zu lieben – aber mir scheint inzwischen, daß die mittelalterliche Sicht auf die Schlechtigkeit der Welt sich von neuem durchsetzt.
Zur Information, vielleicht zur Beruhigung meiner Leser: Ich mag diese wilde Welt. Sehr sogar. Mir ist durchaus klar, daß sie nicht das non plus ultra ist – aber sie ist mir lieb und wert. Schon weil es auf ihr so feine Dinge wie Bücher gibt, und Coffein, und Gärten, und Katzen. Ja, und Menschen.
Menschen… Während ich das schreibe, leidet ein Land ganz in meiner Nähe unter der Bluttat eines jungen Irren. Weiter weg sind ältere Irre dabei, die Kultur aus ihren Ländern zu vertreiben. In Deutschland fallen im Schnitt sechs Menschen täglich Tötungsdelikten zum Opfer. iste mundus furibundus…
Und trotzdem – oder gerade deshalb: Die Überzahl der Menschen ist verhältnismäßig umgänglich. Eine ganze Menge mir bekannter Menschen sind freundlich, liebevoll und friedfertig. Die meisten Menschen haben diskutable Meinungen zu Gerechtigkeit und Liebe.
Insgesamt ist es nicht ganz abwegig, Menschen für Geschöpfe Gottes zu halten.

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Über Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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8 Antworten zu iste mundus furibundus

  1. herr_momo schreibt:

    Nein, es ist nicht abwegig, Menschen für Geschöpfe Gottes zu halten.
    Zumal Gott uns Menschen ja die Freiheit eingeräumt hat, über unsere Wege selbst zu entscheiden und damit auch zu bestimmen, was wir aus unserem eigenen Leben machen.

  2. Frau Momo schreibt:

    Abwegig finde ich das auch nicht, trotz der Abwege mancher Menschen. Und zum Glück sind wir Menschen ja halbwegs frei, uns unser Umfeld selber zu suchen.

  3. Claudia Sperlich schreibt:

    Wie weit diese Freiheit tatsächlich geht, wage ich nicht zu beurteilen. Mir kommt es zuweilen vor, als seien wir nur in verschieden großen Gefängnissen untergebracht.

  4. theomix schreibt:

    Das klingt dann nach Stanisław Jerzy Lec…

  5. Claudia Sperlich schreibt:

    Der hat seine Ideen ja auch nur aus der Wirklichkeit.

  6. …und ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei, von Erdbeben allenthalben… so ungefähr heißt es im Matthäus-Evangelium. Wahrscheinlich waren zu allen Zeiten die Zeiten unruhig und ich hoffe, daß die Menschen auf dieser unserer Welt zur Besinnung kommen, bevor sie sie komplett zertrampelt haben.
    6Menschen täglich, die in Deutschland eines gewaltsamen Todes sterben und eine ungeheure Menge Schußwaffen in Privathaushalten. Es sollen Menschen mit Waffen umgehen, die bei Militär oder Polizei im Dienst sind oder die Jagd ausüben. Ansonsten braucht niemand solch gefährliches Gerät. Auch sollten die SchießEisen ständig in den Dienststellen verbleiben und auch Jagdwaffen gehören sicher verschlossen ins Vereinsheim, wenn der wackere Waidmann von der Pirsch zurückkehrt. Auch wenn die Jägersleut zu 99,99% verantwortungsvoll mit ihrem Gewehr umgehen, jede Feuerwaffe in Privathaushalten ist eine zuviel, die Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, wenn deren Besitzer einmal „austickt“. Viel gefährlicher aber sind die SchützenVereine. Deren brave Mitstreiter haben Waffenscheine und ihre SchießPrügel zu Hause. Das geht nach meinem Dafürhalten gaaaaar nicht. Wer kann den garantieren, daß es nicht mit einem dieser aus purer Lust am Schießen herumballernden WaffenNarren mal durchgeht. Oder frustrierte Söhne, die dieser Tötungsgeräte habhaft werden und – siehe Winnenden oder Erfurt… oder jetzt in Norwegen wahllos erschießen, wer ihnen vor den Gewehrlauf kommt, Aber wie auch immer – es sind eben immer zwei von hundert, die sich nicht benehmen können – die anderen 98 sind wie Du schon sagst umgänglich und liebenswürdig.
    In diesem Sinne ganz liebe Grüße aus der schönsten Hansestadt am Ryck vom Wolfgang.

  7. Claudia Sperlich schreibt:

    Jagdwaffen sind u.a. deshalb ein besonderes Problem, weil unmittelbar nach einer Jagd regelmäßig getrunken wird. Das heißt: die Waffen bleiben, wenn die Strecke gelegt ist, stundenlang im Kofferraum eines Geländewagens (dessen Besitzer hoffentlich nicht allzu schlimm mitpichelt). Danach nimmt jeder seine Waffe nach Hause – und kommt dort spät Nachts, sehr erschöpft und weinselig an. Also nicht zu voller Konzentration fähig und risikobereit. Waffenschrank? Da müßte man ja in den Keller, und bis morgen wird schon nichts passieren.

  8. rote Gräfin schreibt:

    Aus diesen allen oben genannten Gründe plädiere ich darum dafür, dass wir einen aufmerksamen Umgang mit unserer Aggression lernen, als ein sehr wichtiger Lebensimpuls und mehr die Ignoranz und eben die Isolation, die wir uns selber und unserem Nächsten antun.
    Alle noch so gut gehüteten Geheimnisse sind eben tickende Zeitbomben. Erst der liebevolle Blick auf alles was verborgen ist und wird kann die Gefahr bannen. Nicht umsonst heißt es:
    [b] Gefahr erkannt, Gefahr gebannt [/b]

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