Religion, Seuche und Statistik

Die Welt-AIDS-Konferenz ist im Gange. Die Forscher sind hoffnungsvoll, was Behandlung und sogar künftige Heilung angeht – und ich hoffe, daß diese Hoffnung sich bald erfüllt.
Die katholische Kirche wird, wenn gerade nichts Besseres zu tun ist, immer wieder als Hauptverantwortliche für die Ausbreitung des HIV-Virus dargestellt. Ich habe einen kleinen statistischen Überblick zur Verbreitung von Christentum, insbesondere Katholizismus und zur Verbreitung von HIV/AIDS erstellt. Statistik ist zwar niemals ein Beweis. Aber wenn man diesen Überblick aufmerksam liest, merkt man, daß sie noch nicht einmal der Schatten eines Hinweises auf einen Zusammenhang zwischen dem Vormarsch von HIV und der katholischen Kirche gibt.

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Über Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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9 Antworten zu Religion, Seuche und Statistik

  1. alex schreibt:

    Es ist ja noch nicht einmal logisch: ein Mensch, der so skrupulös ist, dass er auf Kondome zum Schutz vor tödlichen Krankheiten verzichtet, weil es die Kirche so sagt, der aber durch die Gegend poppt, obwohl es die Kirche sagt. Wo gibt es sowas? Man muss schon eine widerliche Kolonialherrenattitüde haben, um den Afrikanern unterstellen zu können, sie seien entweder so blöd, oder so geschlechtsteilgesteuert.

  2. alex schreibt:

    Nachtrag: das katholischste Land im südlichen Afrika ist Angola, mit einer HIV-Prävalenz von 4%. Außerdem sollte man sich mal fragen, ob es in Swasiland, wo jeder 4. potentielle Geschlechtspartner HIV-positiv ist, ein guter Rat ist zu sagen, tut euch keinen Zwang an, benutzt nur einen Überzieher. Es ist auch zu bequem, denn an den sozio-ökonomischen Verhältnissen, die offensichtlich verantwortlich sind für diese Tragödie, braucht man dann ja nichts zu ändern.
    Persönlich denke ich, dass Bildung und Selbstbewusstsein gerade für Mädchen hier sehr wichtig sind. Aber da beißt sich der Hund in den Schwanz: in Botswana, einem vorbildlich regierten Land, sterben jedes Jahr mehr Lehrer an AIDS als ausgebildet werden können. Man liest und hört aber nichts von den Programmen, die dieses Land dabei unterstützen, mehr Lehrer auszubilden und die vorhandenen zu retten- durch günstige, moderne Medikamente, die ihnen eine hohe Lebenserwartung garantieren könnten.

  3. Claudia Sperlich schreibt:

    Willkommen, Alex – und Dank für diese Kommentare.
    In der Tat: „Kolonialherrenattitüde“ trifft es – eine Geisteshaltung wie „Die armen Schwarzen sind halt so und können nichts gegen ihre Triebe“. Was Du über Angola schreibst, ist ja noch mal besonders fürchterlich.
    In Sachen Bildung stimme ich vollkommen zu. Es wäre interessant, mal eine Statistik über die Verbreitung von Bildung und von HIV zu erstellen.

  4. cassandra_mmviii schreibt:

    Aus persönlichen Berichten von Leuten, die als Entwicklungshelfer in Afrika gearbeitet haben bzw von diesem Kontinent kommen, lernte ich folgendes:

    Kondome dürfen nicht über einer bestimmten Temperatur gelagert werden, sonst werden sie löcherig. Dann bieten sie keinen Schutz mehr vor AIDS. Diese Temperatur ist aber unter Haushaltsbedingungen in weiten Teilen Afrikas nicht zu gewährleisten, denn die Versorgung mit Strom ist nicht überall gesichert bzw überhaupt vorhanden. Wenn überall genug funktionstüchtige Kühlschränke stünden wären ein paar Probleme gelöst, was aber leider nicht der Fall ist.

    Ausserdem wurde den Menschen eingebleut, dass man alles gründlich abschruppen und/oder auskochen soll, was im Kampf gegen Durchfall auch sehr sinnvoll ist (Durchfall kostet einer hohen Anzahl an Kindern unter 5 das Leben, hier sind wir wieder bei den Kühlschränken und der Lebnensmittellagerung), aber Kondomen schadet. Kernseife ist nicht das geeignete Mittel um ein Kondom wiederzuverwenden.

    Wennn man das im Kopf behält ist der Ratschlag, sich „einfach mal ein Kondom überzuziehen“ einfach nur zynisch und wahrscheinlich für mehr Tote verantwortlich als „Sex nur in einer festen Beziehung, die auf Treue basiert“.

    Auch das Argument von Alex sollte man nicht vergessen. Wer so kirchentreu ist, dass er auf Verhütung verzichtet, wird kaum wechselnde Sexualpartner haben.

  5. Claudia Sperlich schreibt:

    Das sind sehr bedenkenswerte Einwände.
    Und es zeigt mal wieder, daß die wildesten Kritiker vermutlich nie so weit gedacht haben. Und wieder einmal klingt für mich durch, daß das eigentliche Problem der Bildungsmangel ist. (Und das übergeordnete Problem der Geldmangel, natürlich.)

  6. cassandra_mmviii schreibt:

    Niemand weiss, wie viele AIDS-Tote auf das Konto der hygienischen Zustände in den Krankenhäusern zurückgehen.
    Wer will, dass der Arzt sterile Handschuhe trägt, muss sie bezahlen oder mitbringen. Kann er das nicht, schützt sich der Arzt durch wiederverwendete Handschuhe. Da diese Handschuhe aus Latex sind, zählt das gleiche wie für Kondome, also werden sie nur relativ kalt abgewaschen.

    Das gleiche zählt für Verbandsmaterial.

    Da anzusetzen wäre wahrscheinlich sinnvoller. Das kostet Geld. Und es ist immer einfacher zu sagen „Der Papst macht, dass alle in Afrika an AIDS sterben“ als über wirtschaftliche Ursachen nachzudenken.

    Wer über AIDS reden will, darf über Armut nicht schweigen. Ein grosses Problem bei der Verbreitung von AIDS ist Prostitution. Frauen werden oft durch wirtschaftliche Not zur Prostitution gezwungen. In der Situation mit Kondomen anzukommen ist am Problem, nämlich Frauenarmut, vorbei. Viele Frauen gehen dieser Art von Gelderwerb nicht nach weil sie es wollen, sondern weil es keine andere Möglichkeit gibt, für sich, ihre Kinder und oft genug noch weitere Verwandte, das Überleben zu sichern. Unter diesen Bedingungen ist Prostitions Vergewaltigung, auch wenn der Kunde zahlt, was anscheinend oft genug nicht passiert.

  7. aebby schreibt:

    Danke für Deine Mühe. In der Propaganda wird oft Korrelation mit Kausaität vermischt. Deine Zahlen zeigen jedoch, dass es nicht einmal eine Korrelation gibt. Das bestätigt mich in meiner Annahme. Wenn es eine Region gäbe, in der sich fast alle an die Regeln der katholischen Morallehre halten würden, wären durch Geschlechtsverkehr verbreitete Krankheiten dort kein Thema. Ich sehe in dem Vorwurf an die katholische Kirche in diesem Fall vor allem eine Nebelkerze um von den eigentlichen Ursachen und möglichen Hilfsleistungen abzulenken.

  8. Gerd schreibt:

    Seltsam finde ich, dass der Begriff HIV des öfteren mit dem afrikanischen Kontinent in Verbindung gebracht wird. Dabei wird mittlerweile übersehen, dass die ersten Menschen, die sich mit dem HIV Virus ansteckten aus den reichen und sich aufgeklärten Staaten der Industrienationen kamen. Wenn man das bedenkt, bekommt der Gedanke von den guten Gaben ehemaliger Kolonialmächte einen bitteren Beigeschmack.

  9. Claudia Sperlich schreibt:

    Ein wichtiger Punkt. Wobei es verständlich ist, daß man bei einer Krankheit ihr derzeitiges Hauptverbreitungsgebiet assoziiert. Fatal wird das erst, wenn es unreflektiert als ursprünglich afrikanisches Problem gehandelt wird.

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