Anleitung zur Phrase

Kerstin Hoffmann ruft zum Kampf gegen schlechte Formulierungen auf, und ich kämpfe mit.

Sie wollen etwas ganz Einfaches sagen, hätten aber gerne, daß es kompliziert und vor allem sehr, sehr fachmännisch klingt?

Sagen Sie nicht: Dies Dreckwetter macht mich fertig!
Sondern sagen Sie: Ich tendiere bei den derzeitigen klimatischen Verhältnissen zu witterungsbedingten Depressionen.

Sagen Sie nicht: Ich bin pleite!
Sondern sagen Sie: Meine finanzielle Situation hat sich dahingehend entwickelt, daß bedeutendere Investitionen den Rahmen meiner Möglichkeiten sprengen.

Sagen Sie nicht: Der Kaffee ist alle!
Sondern sagen Sie: Die Koffeinsituation muß nach eingehender Bestandsanalyse negativ bewertet werden.

Sagen Sie nicht: Das Essen war lecker.
Sondern sagen Sie: Wenn auch möglicherweise nicht alle ernährungsphysiologischen Gesichtspunkte gebührend beachtet wurden, wurde doch – oder vielleicht gerade deshalb – das Lustzentrum in hohem Maße stimuliert.

Sagen Sie nicht: Du bist schön!
Sondern sagen Sie: Meine ästhetischen Ideale werden durch dich vollauf befriedigt.

Sagen Sie nicht: Ich liebe dich!
Sondern sagen Sie: Meine seelisch-geistige Innensituation wird durch dich dergestalt beeinflußt, daß eine Vertiefung der Beziehung auch nach Abwägung aller Risiken noch immer geraten scheint.

Nur wundern Sie sich nicht, wenn die Antwort anders lautet als „Ich dich auch“.

Über Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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14 Antworten zu Anleitung zur Phrase

  1. Pingback: Wo wir gerade bei Phrasen sind…

  2. Frau Momo schreibt:

    Wie wäre es denn damit:
    Unter Einsatz immenser, jedoch bis zum Moment der Aktualisierung des Impulses latenter Energien löste sich die amphibielle Kreatur von ihrem habituellen Standort und verschwand, einer in erster Näherung parabolischen Bahnkurve folgend, in den mehr oder minder transparenten Räumen ihrer Existenz.
    (Ein Frosch sprang ins Wasser)
    🙂

  3. Claudia Sperlich schreibt:

    Watt mutt, datt mutt!

  4. Mia schreibt:

    Liebe Claudia,
    ähhhh, warst im Bundestag unterwegs oder wo hast du denn diese verquere Sprache her?
    Wenn ich das lese, löst es bei mir suboptimale Befindlichkeitsmerkmale aus.

  5. Claudia Sperlich schreibt:

    Mia, das können nicht nur Mitglieder des Bundestages!
    Werbefachleute sind ziemlich gut darin, aber auch Beamten und Angestellte in der Verwaltung von Land und Leuten.
    Ich kann mich sogar an einen Sozialkundelehrer erinnern, der diese Sprache fließend beherrschte. Lange her, hat mir aber Eindruck gemacht. Vielleicht ist dieser Beitrag ein spätes Denkmal für einen ganz zu Recht unbekannten Lehrer. 😉

  6. Kerstin Hoffmann schreibt:

    Sehr schön. Vielen Dank für den Beitrag. Er steht schon in der Liste aller Beiträge:
    http://www.kerstin-hoffmann.de/pr-doktor/jahr-ungewohnlichen-formulierung-alle-beitraege/

  7. Wolfram schreibt:

    Meine Antwort auf solches Geschwätz würde jedenfalls eher lauten:
    Du mich auch!
    Entschuldigung, ich konnte nicht anders!

  8. Claudia Sperlich schreibt:

    Das wäre m.E. eine angebrachte und stilistisch passende Erwiderung.

  9. Unni schreibt:

    Sind diese umformulierungen notwendig? Das andere hoert sich so kuenstlich an.

  10. Claudia Sperlich schreibt:

    Gelegentlich werde ich auch eine Anleitung zur Ironie schreiben – vielleicht.

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