Nach einem leider ausartenden Streit zu diesen Themen habe ich mir darüber vielleicht etwas genauere Gedanken gemacht als mein Kontrahent und ganz sicher genauere als vorher.
Ich habe in der Kontroverse nicht das Patriarchat verteidigt, wohl aber die Demokratie. Mit etwas mehr Sachlichkeit hätten beide Seiten sagen können:
Tja, schiefgehen kann beides!
Patriarchalisch organisiert ist die Kirche, der ich mit voller Überzeugung, freiwillig und froh angehöre. Hier zeigt sich Patriarchat von der guten Seite – die Kirche gestand Frauen und Männern bereits gleiche Würde zu, als die heidnische griechische Welt und der größte Teil der ebenfalls heidnischen römischen Welt vom Wert der Frauen noch nichts ahnte. Frauen haben von Anfang an missioniert, Katechese und Diakonie organisiert und betrieben, sich ebenso wie Männer aufgeopfert, ebenso wie Männer theologische, medizinische und lyrische Werke verfasst; die unübersehbare Menge an Heiligen setzt sich aus gleich viel Männern und Frauen zusammen (anders als die Bundesregierung mit fast doppelt so vielen Männern wie Frauen). Ich will jetzt nicht weiter darauf eingehen, daß es keine katholischen Priesterinnen geben kann – ich habe hierzu 2013 (noch mit einiger Unsicherheit) und dann, durch Vernunftgründe überzeugt, im vergangenen Sommer geschrieben.
Nun ist die Kirche kategorisch etwas anderes als ein Staat oder eine Familie (auch wenn zu letzterer gewisse Parallelen hat). In einem patriarchalen Staat werden Frauen regelmäßig als unterlegen angesehen. Nicht die Kirche hat Frauen Menschenrechte vorenthalten – sondern immer wieder zahlreiche Staatsgebilde, christliche und nichtchristliche, religiöse und nichtreligiöse (wo, bitteschön, ist die paritätisch aus Männern und Frauen gebildete sozialistische oder kommunistische Regierung?). In China wird bis heute Mädchen ab utero weniger Lebensrecht zugestanden als Männern, dies mit Duldung der Regierung. Staatliches Patriarchat, ganz gleich unter welchem Deckmantel, geht schief.
Demokratie halte ich für die beste Staatsform – was nicht heißt, daß sie unbedingt funktionieren muß, und nicht, daß sie grundgut ist. Das Blöde an menschlichen Gesellschaften ist, daß sie es mit einem Haufen von Sündern zu tun haben, weil es andere Leute eben nicht gibt. (Das gilt zwar auch für die Kirche, aber die ist ja auch, wie der Heilige Vater es so schön formuliert hat, „kein Hotel für Heilige, sondern ein Lazarett für Sünder“. Die Kirche ist da, weil wir Sünder sind – der Staat muß bestehen, obwohl wir Sünder sind.)
Oligarchien und Monarchien haben den Nachteil, daß immer eine winzige Minderheit darüber entscheidet, was für die Mehrheit gut ist – und zwar ohne die Mehrheit zu fragen, in der Regel ohne auch nur einen bedeutenden Teil der Mehrheit zu kennen, und ohne Korrektiv. Das kann gut gehen, wenn die Spitze des Staates sich aus weisen und gebildeten Menschen mit praktischer Vernunft zusammensetzt. Dies ist aber nur selten der Fall.
Demokratie kann schiefgehen – bis dahin, daß sie ihre eigenen Vernichter wählt. Andererseits lebe ich in einer Demokratie und zugleich, bei aller berechtigten Kritik, in einem Land mit weitgehender Meinungsfreiheit, Gewissensfreiheit, einer noch ziemlich gut funktionierenden Wahrung der Menschenrechte. Die derzeitigen beunruhigenden Wege dieses Staates sind eben nicht mehr demokratisch, sondern wesentlich diktatorisch, und noch in einem Maße, das ich an optimistischen Tagen für heilbar halte.
Zuletzt noch ein schräger Gedanke: Demokratie gehört am Ende auch zu den Sachen, die die Kirche besser kann als der Staat. Die erste kirchliche Wahlveranstaltung geschah, um die durch den Verrat und Tod des Judas freigewordene Apostelstelle zu besetzen.
So muß nun von den Männern, die mit uns gegangen sind die ganze Zeit über, da der Herr Jesus unter uns ein und ausging, von der Taufe des Johannes an bis zu dem Tage, da er von uns hinweg aufgenommen wurde, einer von diesen muß mit uns Zeuge seiner Auferstehung werden. Und sie stellten zwei dar, Joseph, genannt Barsabas, mit Zunamen Justus, und Matthias, beteten und sprachen: Herr, du Kenner aller Herzen, zeige an, welchen von diesen beiden du erwählt hast, das Los dieses Dienstes und Apostelamtes zu empfangen, von welchem Judas abgetreten ist, um hinzugehen an seinen Ort. Und sie gaben ihnen Lose, und das Los fiel auf Matthias, und er wurde zu den elf Aposteln hinzugewählt.
Apg. 1,15-26
Die zweite kirchliche Wahl hatte den praktischen Grund, Verkündigung und Diakonie organisatorisch zu trennen.
In jenen Tagen aber, als die Zahl der Jünger wuchs, entstand ein Murren der Hellenisten gegen die Hebräer, weil ihre Witwen bei der täglichen Hilfeleistung übersehen wurden. Da beriefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ziemt sich nicht, daß wir das Wort Gottes verlassen, um bei den Tischen zu dienen. Darum, ihr Brüder, sehet euch nach sieben Männern aus eurer Mitte um, von gutem Zeugnis, voll heiligen Geistes und Weisheit; die wollen wir für diesen Bedarf bestellen, wir aber wollen im Gebet und im Dienste des Wortes verharren. Und die Rede gefiel der ganzen Menge, und sie erwählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochia. Diese stellten sie vor die Apostel, und sie beteten und legten ihnen die Hände auf. Und das Wort Gottes nahm zu, und die Zahl der Jünger mehrte sich sehr zu Jerusalem, auch eine große Zahl von Priestern wurden dem Glauben gehorsam.
Apg. 6,1-7
Diese Wahlen waren einerseits mehrheitliche Beschlüsse – andererseits geschahen sie nach gemeinsamem Gebet um eine gute Wahl. Man kann das sicher nicht 1:1 auf Demokratien übertragen, aber ich glaube, mit weniger Reden und mehr Gebeten vor Wahlen wäre schon eine Menge gewonnen.
Ich bin und bleibe Katholikin, denn besser geht es nicht.
Ich bleibe wahrscheinlich Demokratin, es sei denn, ich werde durch Vernunftgründe von etwas Besserem überzeugt.
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