Nichts Neues unter der Sonne

Zum Blog Action Day habe ich einige Hinweise, daß die Menschheit schon seit längerem an der Vernichtung der Erde arbeitet.

So heißt es in der Antigone des Sophokles (hier in der Übersetzung von Friedrich Hölderlin):
Ungeheuer ist viel. Doch nichts
ungeheurer als der Mensch.
Denn der, über die Nacht
des Meeres, wenn gegen den Winter weht
der Südwind, fährt er aus
in geflügelten, wogenumrauschten Häusern.
Und der Himmlischen erhabene Erde,
die unverderbliche, unermüdete
reibt er auf; mit dem strebenden Pfluge,
von Jahr zu Jahr,
bricht er sie um mit dem Rossegeschlecht.
Leichtträumender Vögel Welt
bestrickt er, und jagt sie,
und wilder Tiere Zug,
und des Meeres salzbelebte Natur
mit gesponnenen Netzen,
der kundige Mann.
Und fängt mit Künsten das Wild,
das auf Bergen übernachtet und schweift.
Und dem rauhmähnigen Rosse wirft er um
den Nacken das Joch, und dem Berge
bewandelnden unbezähmten Stier.

Und die Rede und den luftigen
Gedanken und städtebeherrschenden Stolz
hat er erlernt, und er weiß, wie er
unwirtliche Kälte meidet
und die Pfeile des Regens. Allbewandert,
unbewandert. Zu nichts kommt er.
Der Toten künftigen Ort
zu fliehen weiß er nicht.
Von Weisem etwas, und das Geschickte der Kunst
mehr, als er hoffen kann, besitzend,
kommt er einmal auf Schlimmes, dann wieder zu Gutem.
Die Gesetze kränkt er, der Erde und Naturgewalten
beschworenes Gewissen:
Nicht sei am Herde mit mir,
noch gleichgesinnt,
wer solches tut.

Ein jüngerer Zeitgenosse des Sophokles schreibt im Κριτίας 111 a – e):
Das ganze Land erstreckt sich ja vom übrigen Festlande weg wie ein Vorgebirge weit ins Meer hinaus, und das Meeresbecken ringsum fällt nahe der Küste in große Tiefe ab. In den 9000 Jahren – so viele sind es nämlich seit jener Zeit gewesen – ereigneten sich zahlreiche gewaltige Überschwemmungen, und in dieser langen Zeit und unter diesen Ereignissen hat die Erde, die von den Höhen herabgeschwemmt wurde, nicht etwa einen mächtigen Damm gebildet, wie das an anderen Orten geschieht, sondern sie wurde jeweils ringsum getrieben und verschwand in der Tiefe. Wie man das bei den kleinen Inseln sehen kann, ist also, wenn man den heutigen Zustand mit dem damaligen vergleicht, gleichsam noch das Knochengerüst eines Leibes übrig, der von einer Krankheit verzehrt wurde: ringsum ist aller fette und weiche Boden weggeschwemmt worden, und nur das magere Gerippe des Landes ist übriggeblieben. Aber damals war dieses Land noch unversehrt, mit hohen, von Erde bedeckten Bergen, und die Ebenen, die man heute als rauh und steinig bezeichnet, hatten fetten Boden in reichem Maße, und auf den Höhen gab es weite Wälder, von denen heute noch deutliche Spuren sichtbar sind. Einige von diesen Bergen bieten jetzt einzig den Bienen noch Nahrung; es ist aber gar nicht so lange her, da waren von den großen Häusern, für deren Bedachung man dort die Bäume gefällt hatte, die Dächer noch wohlerhalten. Und auch sonst trug das Land hohe Fruchtbäume in großer Zahl, und den Herden bot es unbeschreiblich reiche Weideplätze. Und vor allem bekam es von Zeus jedes Jahr sein Wasser, und dieses ging nicht wie heute verloren, wo es aus dem kärglichen Boden ins Meer fließt, sondern weil das Land reichlich Erde hatte und das Wasser damit auftrank und es in dem lehmhaltigen Boden bewahrte, ließ es das Nass von den Höhen herab in die Talgründe fließen und bot allerorten in Brunnen und Bächen reichlich Bewässerung.

In Historia Naturæ beschreibt Plinius maior vielerorts die Zerstörung der Natur.
Man durchgräbt die Erde auf der Jagd nach Reichtum (…) Wir durchforsten alle Adern der Erde und leben auf ihr dort, wo sie ausgehöhlt ist, und wundern uns noch, dass sie zuweilen auseinander bricht und zittert, als ob dies nicht in Wahrheit aus dem Unwillen der Mutter Erde gedeutet werden könnte. Wir dringen in ihre Eingeweide und suchen am Sitz der Schatten nach Schätzen, so als ob sie dort, wo man auf ihr gehen kann, nicht genügend gütig und fruchtbar wäre.
(nat. hist. 33,1. 33,33. 33,73)

Vielleicht ändern wir ja mal die Richtung.

Über Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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7 Antworten zu Nichts Neues unter der Sonne

  1. Don Farrago schreibt:

    Fein, fein!!!

  2. Fischer schreibt:

    Die antike Literatur ist im Grunde voll von entsprechend zu deutenden Motiven. Klassisch:

    corripitur flammis, ut quaeque altissima, tellus
    fissaque agit rimas et sucis aret ademptis;
    pabula canescunt, cum frondibus uritur arbor,
    materiamque suo praebet seges arida damno.
    parva queror: magnae pereunt cum moenibus urbes,
    cumque suis totas populis incendia gentis
    in cinerem vertunt; silvae cum montibus ardent.

    Und wie heißt noch gleich die neueste Komplexkarre von VW? Phaeton.

    Mein (allerdings bronzezeitlicher) Lieblingsgrieche hat in der Odyssee schon eindringlich beschrieben, was mit Leuten passiert, die nicht wissen, von welchen Ressourcen sie besser die Finger lassen.

    Genützt hat’s nix.

  3. Claudia schreibt:

    Ein Auto namens Phæton – wenn Werbefritzen in klassische Bildung machen… fast noch besser dies: Ikarus Leichtflugzeuge – für mehr Freude am Fliegen.

  4. Fischer schreibt:

    Mwahahaha… Nicht echt, oder?

    Obwohl, wenn ich daran denke, wie leichtfertig mit dem Begriff „Kassandratöne“ umgegangen wird…

    Ein Reisebüro Odysseus gibt es übrigens auch. Ich hab denen mal vorgeschlagen, den Namen durch den Slogan „schnell und direkt ans Ziel“ zu ergänzen, aber der Chef war studierter Gräzist und hat nur gelacht…

  5. Liisa schreibt:

    Wie heißt es andernorts so schön? Es gibt nichts Neues unter der Sonne.

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