Berliner Geschichten

Gestern war ich bei der Lesung eines Autorenkollegen im Baiz in Prenzlauer Berg. Tobias Klein, der Bloggersphäre auch als Monsignore Corpasini bekannt, seit kurzem König von Deutschland, las aus seinem leider noch unveröffentlichen Band Nur nicht nach Hause. Geschichten aus der Welt der analogen Bohème.
Die episodischen Kurzgeschichten, Skizzen und Miniaturen spielen in Friedrichshain, Kreuzberg und Umgebung, teils auch in meines Wissens imaginären Orten Berlins. (Allerdings muß ich ehrlicherweise zugeben, daß der Platonische Garten mit seinem strikten Liebespaarverbot mir zwar unbekannt ist und unwahrscheinlich scheint, aber ich kann ihn nicht ausschließen, Berlin ist ja groß.)
Skurrile Typen, komische, absurde, groteske, alltägliche Situationen schildert Tobias Klein mit Witz und Sprachgewandtheit. Dabei haben viele seiner Geschichten, auch wenn sie zunächst urkomisch daherkommen, einen nachdenklichen, gar ernsten Hintergrund – die Figuren sind oft unsicher, narzisstisch, gebrochen, unfähig zu verbindlichen Beziehungen und dann wieder manchmal auf unvermutete Weise sympathisch.

Die Atmosphäre im Baiz ist locker und fröhlich, das Publikum eine bunte Mischung. Ein Zuhörer sah wie E.T.A. Hoffmann aus, ging aber vor der Pause und trank nichts, kann also unmöglich tatsächlich E.T.A. Hoffmann gewesen sein. Andere mit noch fast kindlichen Gesichtern in punkigen Klamotten horchten mit gespannter Aufmerksamkeit.

Tobias las vielleicht an einigen Stellen etwas zu schnell und zu leise, aber immer mit stimmiger Betonung. Soll er gerne mal wieder tun! Ich kann nur raten: Geht hin und hört zu, es macht Freude.

Über Claudia Sperlich

Dichterin, Übersetzerin, Katholikin. Befürworterin der Vernunft, aber nicht in Überdosierung.
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