Amöneburg ist hinreißend, Latein ist herrlich und die Leute auf der Amöneburger Lateinwoche waren entzückend.
Da kein Glück ungetrübt bleibt, habe ich nur zwei Tage lang photographieren können – am dritten ging die Kamera kaputt, was sich leicht erklären läßt, da sie einen knappen Meter tief auf den Boden fiel. Daher ist die versprochene Photodokumentation etwas spärlich.
Untergebracht war ich, wie im vergangenen Jahr, in einem Gästezimmer mit grandiosem Ausblick, der mir allmorgendlich das Gefühl vermittelte, die Welt liegt mir zu Füßen.
In der Bonifatius-Halle waren wir zwar nicht. Aber man sieht es schon von außen: Latein spielt eine Rolle in Amöneburg!
Das Johanneshaus, in dem die Septimana Latina stattfindet, ist zwar modern. Aber es muß hier oder doch in der Nähe schon früher eine nach dem Täufer benannte Bildungseinrichtung gegeben haben, aus der zwei Steine hier verbaut wurden.
Dieser Engel trägt eine Schüssel mit einem Torso; mag sein, daß der enthauptete Johannes gemeint ist, aber ich habe nicht genug Ahnung von Ikonographie, um das mit Sicherheit zu sagen.
Collegium S Johanni Baptistæ, 1637 [od. 1677]
Im Eingang steht ein Kruzifix herum.
Neben dem Johanneshaus steht die St-Johann-Kirche.
Die Nepomuk-Säule habe ich zwar schon letztes Jahr gezeigt. Aber ich finde, diesmal sind die Photos noch besser geworden – und vor allem sind nun auch die schon arg wettergeschädigten Reliefs zu sehen.
Dies ist ein Chronogramm:
Ven[erabilis] DIVI Ioannis nepoMVCenI fVIt eXstrVCta – des verehrten heiligen Johannes Nepomuk wurde ich errichtet (also: als des verehrten usw. Säule. Ergänzung zu venerabilis von mir und daher fraglich).
Es ergibt sich die Jahreszahl 1740, vermutlich wurde die Säule in diesem Jahr aufgestellt.
Hier betet der Heilige vor einem Altar mit Kruzifix; neben ihm hält ein Engel eine Sanduhr.
Nepomuk hört die Beichte der böhmischen Königin.
Der König Wenzel von Böhmen fordert von Nepomuk, die Beichte der Königin preiszugeben. Nepomuk wehrt eindeutig ab. In der Jakobsmuschel über den beiden liegt ein versiegelter Brief als Hinweis auf das Beichtgeheimnis.
Wenzel läßt Nepomuk foltern und, als der Heilige das Beichtgeheimnis trotzdem nicht verrät, gefesselt in die Moldau werfen. Die fünf Sterne stehen für die fünf Buchstaben des Wortes TACVI – ich habe geschwiegen.
Ein auch in Amöneburg eher seltener Anblick ist ein Dach auf der Straße. Weil das wirklich gar nicht geht, wird es von einem Kran entfernt.
Es waren wunderbare Tage mit Plaudereien auf Latein, unter anderem mit einem 86jährigen Russen, mit Lateinfreunden aus Spanien, Holland, England und Frankreich, noch mehr konzentriertem gemeinsamem Arbeiten, mit Diskussionen über Texte, und schließlich mit dem lieblichen Amöneburg, mit guter Luft und Stille.
Eine Woche lang arbeitete ich mich in einer von fünf verschiedenen Gruppen (der mit dem eigentlich für mich viel zu hohen Niveau) durch Thomas Morus‚ Utopia – hochelegantes Latein und Satzperioden, die sich über halbe Seiten ziehen, übrigens ein Staatsgebilde, in dem ich keinesfalls wohnen will. Aber spannend war es, sprachlich ein Wunderwerk, und nicht nur Latein, auch eine Menge über die schauerlichen Zustände im damaligen England habe ich gelernt.
Eine Exkursion nach Bad Nauheim fand bei angenehmem Wetter statt. Das Jugendstilbad ist wahrlich eine Reise wert, und sehr schade ist es, daß ich Euch keine Photos zeigen kann.
Die Theatergruppe, in der ich wieder mitmachte, brachte ein witziges, selbst erdachtes und in unglaublicher Geschwindigkeit einstudiertes Stück auf die Bühne, will sagen, den Rasen zwischen Kirche und Johanneshaus. Das Abschlußkonzert vorher war sehr schön und abwechslungsreich, mit Chor und Instrumenten, und auch mit Rezitation; ich hatte fürchterliches Lampenfieber, aber es ging gut, und hinterher sagten mir mehrere würdige Altphilologen, wie unglaublich gut ich rezitiert habe – ich weiß jetzt, wie eine Mischung zu gleichen Teilen aus Freude und Verlegenheit sich anfühlt.
Nächstes Jahr, wenn es irgend geht, werde ich wieder nach Amöneburg fahren.
Die wirklich schönen Erlebnisse sind immer mit einem kleinen „Ach“ verbunden, ich hoffe, das mit der Camera lässt sich irgendwie richten.
Die Kamera ist versichert, also ist es keine ganz große Katastrophe – es wird nur Zeit kosten, aber kein Geld, bis ich wieder eine funktionstüchtige Kamera in Händen halte. So bleibts ein ganz leises Ach und ein viel lauteres und gedehnteres Ooooh – die Freude über diese Woche ist stärker.
Die Fotos, die zu sehen sind, beeindrucken. Sehr schön. Und was du schreibst, auch.
Und komm gut wieder an, innerlich..
Eine Weile wird es noch dauern, bis ich nicht mehr da veniam sage, wenn ich Pardon meine. 😉
Das erste Bild hat es mir angetan. Ich liebe Bilder mit Nebel…
Da wäre Amöneburg das Richtige für Dich! Dort ist das Tal jeden Morgen mit Nebel angefüllt. Zauberhaft.